Im Grunde gut

Im Grunde Gut – Rutger Bregman

Die Menschheit denkt schlecht über die Menschheit: Menschen seien egoistisch und würden in Notsituationen nicht rücksichtsvoll gegenüber anderen Menschen agieren. Bregman widerspricht diesem Menschenbild, welches aktuell verbreitet verankert ist.

"Menschen scheinen supersoziale Menschen zu sein" (S. 90), weshalb der Mensch überhaupt die Welt erobern konnte. Wir lernen voneinander und wir interagieren miteinander und ja, wir helfen einander, denn: Der Mensch ist im Grunde gut!

Die aktuelle Corona-Krise hat dies meiner Meinung nach ebenfalls bestätigt. In unserer Region hatten wir sogar zu viele freiwillige Helfer!

Das Buch erinnert mich teilweise an "Eine kurze Geschichte der Menschheit" von Yuval Harari, denn in beiden Büchern wird erklärt, dass die Erfindung des Besitzes bzw. die landwirtschaftliche Revolution, ein fataler Fehler der Menschheit war. Denn nun gab es Grund zum Streiten, wenn nicht sogar Kriegen. Dennoch will Bregman aufzeigen, dass wir keine herzlosen Barbaren, sondern hilfsbereite soziale Wesen sind.

Dazu geht er auf bekannte Experimente im Rahmen der Sozialpsychologie ein, wie das Milgram-Experiment oder das Standford Prison Experiment und macht dem Leser / der Leserin weis, dass deren schrecklichen Ergebnisse nicht das wahre Verhalten der Menschen wiederspiegeln. "Sie [die Leviathane] haben ihre Probanden nicht vor ihrem sogenannten bösen Naturell geschützt, sondern sie gegeneinander ausgespielt" (S. 225). Dies war für mich enorm aufklärend, da ich all diese beschriebenen Fälle und Experimente kannte, da diese im Fach Psychologie mehrmals Prüfungsrelevant waren. Ich fühlte mich beim Lesen einerseits entsetzt, da mir in der Schule offenbar mehrfach falsches Wissen vermittelt wurde, wovon sich auch meine Meinungsbildung und besonders mein Menschenbild beeinflussen liessen. Andererseits war und bin ich erleichtert, da Menschen doch "im Grunde gut" sind. Das verzerrte Bild, welches uns vermittelt wird, verdanken wir nicht nur der Veröffentlichung falscher Ergebnisse der Wissenschaft, sondern auch den Nachrichten. Im Fernsehen oder auf Social Media werden schreckliche Einzelfälle publiziert, statt alltäglich vorkommende schöne Ereignisse. Kein Wunder denken wir, dass der Mensch ein vom Bösen angespornten Urtrieb hat.

 

Selbst die deutschen Soldaten waren im Grunde gut. Sie kämpften im zweiten Weltkrieg nicht für ihre Nation, für ihren Herrscher oder für eine Ideologie, sondern wegen der Kameradschaft und Solidarität: Sie wollten ihre Freunde an der Front nicht zurücklassen.  Aber "Wir lassen uns durch Angst, Unverständnis, Misstrauen und Stereotype leiten und verallgemeinern unsere Ansichten über Menschen, denen wir nie begegnet sind» (S. 339), was den Menschen dazu bringen kann, schreckliche Taten zu vollbringen. Also ist es der Mensch, welcher mit seinen Gesetzten, Grenzen und Systemen das Schlechte oder Böse im Menschen hervortreten lässt. Bregman schildert von uns gebildete Institutionen wie Schulen, Gefängnisse, Spitäler oder ganz einfach: der Staat und wie diese anders – menschlicher - gestaltet werden könnten, und zwar anhand realer und erfolgreicher Beispiele.

 

Am Ende des Buches gibt Bregman 10 Tipps, wie wir gemeinsam - ich kann es nicht anders sagen - die Welt verbessern können. Und ich fühlte mich selbst sehr angesprochen und seine Worte haben mich zutiefst berührt!  Das Buch wurde von mir regelrecht verschlungen, denn es handelt sich hier neben angenehm zu lesendes «Brainfood» auch um eine revolutionäre Aufklärung. Vieles, das ich gelernt habe, wurde in meinem Hirn auf den Kopf gestellt. Aber nun bin ich froh darüber, denn es hilft die Welt und die Menschen mit anderen Augen zu sehen. Ich wage gar zu behaupten, dass ich dadurch glücklicher bin.

"Bereits in der Wiege geben wir dem Guten den Vorzug, es liegt in unserer Natur" (S. 236)

 

 

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