Eure Heimat ist unser Albtraum - Fatma Aydemir & Hengameh Yaghoobifarah

 "Normal ist keine Autorität für uns" (S. 26)

Es gibt viele Menschen, die denken, es gäbe wenig bis keinen Rassismus mehr, da niemand oder nur Einzelfälle aufgrund biologischer Merkmale diskriminiert werden. Es handelt sich aber nicht nur um biologische Merkmale und es gibt nicht DEN Rassismus. Sollten wir beginnen von Rassismen zu sprechen? Schliesslich scheint sich das Wissen um Intersektionalität nicht durchzuschlagen. Ein Grund dafür: "es wird immer nur über sie (hier: Flüchtlinge), aber nicht mit ihnen gesprochen" (S. 83).

Klar sind es oft einzelne, die Hass streuen und bewusst Minderheiten diskriminieren, doch es gibt Menschen, die "zuschauen und nicht eingreifen, nicht helfen" (S. 21) und gerade dieser Faktor ist erschütternd. Klar, Rassismus wird weder heute, morgen noch in den nächsten hundert Jahren verschwinden, weshalb es wichtig ist "... den Rassismus dort zu identifizieren, wo er ist". (S. 67).

"Funktioniert Nation als Grenze nach aussen, so bildet Heimat eine Grenze nach innen" (S. 104). Die Frage, woher man kommt, gleicht der Frage nach jemandes Identität, also: Wer und was bist du? Diese Frage wird oft in Bezug auf eine Nation/ein Land beantwortet, weshalb besonders seitens der Rechten der Begriff der Heimat verwendet wird. Du lebst in Deutschland, bist hier aufgewachsen, aber es ist nicht deine Heimat. Beginnen wir doch von «Heimaten» zu sprechen.

Extrem unterhaltsam fand das Kapitel von Reyhan Sahin.

"Die unmittelbare Thematisierung der Sexualität von Frauen [...] ist und bleibt bis heute tabuisiert» (S. 160). Sie fordert dazu auf, offener über die weibliche Sexualität zu sprechen und ungeniert Wörter wie "Vagina" oder "Vulva" in der Mund zu nehmen.

Gegen Ende des Buches werden mehrere "Bausteine" von Hanser, der das Buch "Desintegriert euch!" geschrieben hat, erläutert, unter anderem das Integrationsparadigma, welches meint, dass andere bzw. "ein Teil der Gesellschaft bestimmt, wer ab welchem Zeitpunkt" integriert ist und wer nicht.

Ganz zum Schluss traf ich auf berührende und motivierende Worte, die dazu aufrufen gemeinsam Solidarität zu leisten und weiterhin gegen Rassismus und Sexismus zu kämpfen.

 

Das Buch empfehle ich jedem weiter. Es ist kurzweilig und sehr abwechslungsreich. Die Essays wurden sehr unterschiedlich gestaltet und die Schreibstile der Autoren/Autorinnen sind sehr divers. Einige haben mich etwas stärker in den Bann gezogen als andere, aber ich fand es toll, wie kurz und knapp wichtige Themen angesprochen wurden und dies auf eine sehr unterhaltsame Weise.

Ja, das Buch ist lehrreich: Bereits in den ersten Seiten lernte ich wieder etwas Neues: Der Begriff "Homonationalismus" meint, wenn Homosexuelle gegen Menschen mit einer anderen Religion, Nationalität, Hautfarbe usw. Hass verbreiten (S. 18), was in Deutschland, und ich nehme an, auch in anderen Ländern, nicht wenig vorkommt.

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